Mit der vorliegenden Datenkompilation werden die Steuereinnahmen in Deutschland von 1872 bis 2009 anhand der amtlichen Statistik dargestellt. Dabei wird das Gesamtsteueraufkommen nach den einzelnen Steuerarten unterschieden. In Deutschland entwickelte sich der Steuerstaat auf der Ebene von Territorien und Einzelstaaten. Das historisch gewachsene Finanzsystem war vor allem föderalistisch angelegt. Seine Struktur lässt sich anhand der Unterscheidung von drei Ebenen (Gebietskörperschaften) erfassen: auf der untersten Ebene die Gemeinden und Gemeindeverbände, auf der mittleren Ebene die Einzelstaaten (Bundesländer) und auf der oberen Ebene der Zentralstaat (Reich, Bund). Die datenmäßige Erfassung des Gesamtsteueraufkommens im 19. Jahrhundert ist vor dem Hintergrund des schlechten Standes der zeitgenössischen Finanzstatistik mit großen Problemen behaftet. Vor allem ist die Erstellung von Kommunalfinanzstatistiken seitens der statistischen Ämter nur unzureichend gelungen. Bis zum Ersten Weltkrieg gab es daher keine Gesamtübersicht über die steuerliche Belastung in Deutschland. Den ersten Versuch überhaupt hatte das Reichsschatzamt unternommen, das 1908 einen Denkschriftenband für eine reichsweite Finanzreform zusammenstellte und dafür auch umfangreiche finanzstatistische Daten für den Zeitraum 1872 bis 1908 sammelte. Die publizierten Zeitreihen beschränken sich allerdings auf die Steuereinnahmen des Reichs und der Bundesstaaten. Auf der Ebene der Gemeinden und Gemeindeverbände werden nur Städte mit über 10.000 Einwohnern für das Rechnungsjahr 1907 berücksichtigt. Die Zeitreihen des Denkschriftenbandes bilden den Ausgangspunkt der vorliegenden Datenkompilation. Erst der Finanzwissenschaftler Wilhelm Gerloff konnte 1916 im Auftrag des Reichsschatzamtes eine umfassende Steuerstatistik für das Stichjahr 1913/14 erstellen. Eine weitere Untersuchung des Reichsfinanzministeriums im Jahr 1930, das im Zuge des Aufbaus einer umfassenden Reichsfinanzstatistik einen Vergleichswert für 1913/14 errechnete, lieferte eine umfassende amtliche Steuerstatistik. Diese Untersuchung bestätigte im Wesentlichen auch die Ergebnisse von Wilhelm Gerloff. Ab dem Rechnungsjahr 1925/26 liegen amtliche statistische Angaben zu den Steuereinnahmen sämtlicher Gebietskörperschaften in publizierter Form vor. Um die wachsenden Ausgaben des Staates zu finanzieren, mussten die öffentlichen Hände ihre Einnahmen steigern. Das gelang ihnen in größerem Umfang und auf Dauer nur, wenn sie das Steuersystem ausbauten. Insbesondere der Zeitraum 1872 bis 1939 ist gekennzeichnet durch zahlreiche Neueinführungen von Steuern, durch Veränderungen bereits bestehender Steuerformen und durch Abschaffung von Steuern, die sich als unzweckmäßig erwiesen haben. Um das Verständnis der Datentabellen zu erleichtern, werden die wichtigsten Steuerarten in der Entwicklung einer jeden Steuer bis zum Rechnungsjahr 1939/40 erläutert. Die Finanzen des Deutschen Reiches werden schließlich in ihren einzelnen Perioden nach den wesentlichen Reichsfinanzreformen (1879, 1906, 1925, 1934, 1936) skizziert.
Für die Bundesrepublik Deutschland wird die Entwicklung des kassenmäßigen Steueraufkommens nach den einzelnen Steuerarten anhand der vom Bundesfinanzministerium publizierten Steuerdaten beschrieben. Die hier zugrunde gelegte Gliederung der Steuerarten nach Gebietskörperschaften unterscheidet „Gemeinschaftliche Steuern“, „Bundessteuern“, „Ländersteuern“ und „Gemeindesteuern“. Dazu kommen die Kategorien „Lastenausgleichsabgaben“ und „Zölle“. Im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts verschob sich das Gewicht zwischen den fiskalischen Ebenen „Zentralstaat“ („Bund“), „Einzelstaaten“ („Länder“) und „Gemeinden“. In einem abschließenden Themenschwerpunkt wird anhand von Daten zur föderativen Struktur der Steuereinnahmen gezeigt, wie sich die Verteilung der Steuereinnahmen auf die ‚Ebenen‘ im Zeitablauf verändert. Durch die einschneidende Änderung der Steuerverteilung zwischen Reich, Ländern und Gemeinden und durch den Einbau neuer wichtiger Steuern hat sich z.B. die Zusammensetzung der Gesamtsteuereinnahmen des Reichs, der Länder, der Gemeinden (Gemeindeverbände) und der Hansestädte nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Unvergleichbarkeit mit den Vorkriegsverhältnissen gewandelt.
Datentabellen in HISTAT:Die Datentabellen sind nach folgenden Zeitabschnitten gegliedert:A. Die Entwicklung der Struktur der Steuereinnahmen 1872 – 1917;B. Steuereinnahmen nach Arten: Deutsches Reich 1913/14 – 1939/40;C. Isteinnahmen des Reiches aus Steuern und Zöllen in den Rechnungsjahren 1928/29 – 1943/44D. Steuereinnahmen von Reich, Ländern und Gemeinden 1924/25 – 1934/35;E. Kassenmäßige Steuereinnahmen der Bundesrepublik Deutschland nach Steuerarten 1950 – 2009;F. Anteile der Gebietskörperschaften am Steueraufkommen 1881 – 2009.
Quellen:
Denkschriftenband zur Begründung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend Änderungen im Finanzwesen. Hrsg. v. Reichsschatzamt). Teil I. Das Finanzwesen der öffentlichen Körperschaften Deutschlands. Berlin: Reichsdruckerei 1908.
Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, herausgegeben vom Kaiserlichen Statistischen Amt, Berlin, Jahrgänge 1900 bis 1920.
Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, herausgegeben vom Statistischen Reichsamt, Berlin; Abschnitt „Öffentliche Finanzwirtschaft“; Jg. 1925 - Jg. 1941/42.
Statistisches Handbuch von Deutschland 1928 – 1944 (hrsg. vom Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebiets). München 1949: Franz Ehrenwirth - Verlag.
Bundesministerium für Finanzen (Hrsg.), 2011: Kassenmäßige Steuereinnahmen 1950 bis 2010. htttp://www.bundesfinanzministerium.de; Stand: 02.12.2011.
Kraus, Anna, 1983: Zentrale und dezentrale Tendenzen im Föderalismus. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 267f; Tab. 109, 110.