Auswirkungen visueller Umgebungsbedingungen auf motorisches Anpassungslernen. Forschungsdaten eines Experiments zur Sakkadenadaptation. Effects of different visual environmental conditions on long term motor memory consolidation. Research data of an experiment following the saccadic adaptation paradigm.

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Die Genauigkeit zielgerichteter motorischer Bewegungen kann durch physiologische Prozesse, wie z.B. Wachstum und Alter, aber auch durch krankhafte Veränderungen beeinträchtigt werden. Das menschliche ZNS ist in der Lage, diese Fehlfunktionen zu kompensieren, indem die Größe und Richtung der Bewegung angepasst wird. Diese Adaptationsvorgänge treffen auch für Augenbewegungen zu. Das Phänomen der Adaptation kann auch experimentell am gesunden Menschen erzeugt werden, indem Blickziele während der Augenbewegung – damit nicht wahrnehmbar – versetzt werden (sog. Sakkaden-Adaptationsparadigma nach McLaughlin, 1967). Nach sehr kurzer Zeit passt das visuelle System die Amplitude des Blicksprungs (Sakkade) auf den versetzten Stimulus an. Zahlreiche Studien geben Hinweise darauf, dass die Adaptationsleistung (Gain) nach Beendigung eines Experiments nicht sofort wieder verschwindet, sondern zumindest teilweise gespeichert wird. Die visuellen Umgebungsbedingungen sowie die okulomotorische Aktivität nach dem Adaptationsexperiment scheinen dabei die Konsolidierung des Gelernten zu beeinflussen. Vor diesem Hintergrund wurde in dieser Untersuchung der Frage nachgegangen, inwiefern eine Sichtdeprivation verglichen mit einem natürlichen Seheindruck die Konsolidierung der Sakkadenadaptation beeinflusst. Die Probanden wurden hierzu entweder tagsüber mittels Ganzfeldstimulation als künstliche Form oder mittels Schlaf als natürliche Form der Sichtdeprivation von visuellen Reizen abgeschirmt. Im Experiment, das tagsüber stattfand, wurde nach einer Baseline in zwei Einheiten eine Sakkadenamplitude adaptiert mit einer Extinktionseinheit zwischen den Adaptationsblöcken. Dieselbe Versuchsanordnung ohne vorherige Baseline wurde nach zweistündiger Ganzfeldstimulation bzw. derselben Zeit normal sehend wiederholt. Nach vier Wochen wurden die Probanden in der jeweils anderen Kondition mit Adaptation in die jeweils andere Richtung getestet (cross-over-Design). Im Schlafexperiment schliefen die Probanden eine Nacht zwischen den Versuchsteilen bei ansonsten analoger Versuchsanordnung. Die Ergebnisse zeigen eine kurzfristige bessere Reproduzierbarkeit der Adaptationsleistung nach normalem Sehen im Vergleich zu den Bedingungen mit Sichtdeprivation. Doch dieser Vorteil scheint nur von kurzer Dauer: Nach einem weiteren Extinktionsblock konnten die sichtdeprivierten Gruppen ihren Gain verbessern, während sich in der Sehend-Gruppe die Adaptation verschlechterte. Nach vier Wochen konnte noch eine teilweise Speicherung des adaptierten Gains bei den Probanden mit Sichtdeprivation nachgewiesen werden. Der weiterhin reduzierte Gain beschränkte sich jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nur auf die adaptierte Seite, sondern war auch auf der Gegenseite erkennbar. Das Ergebnis einer langfristig verbesserten Speicherung von Sakkadenadaptation bei jedoch kurzzeitiger Störung des adaptierten Gains scheint zunächst paradox und wirft die Frage nach den genauen Mechanismen dieses Phänomens auf. Die Ergebnisse zeigen, dass der visuelle Referenzrahmen in der Zeit nach Adaptation eine wesentliche Rolle spielt. Während des normalen Sehens in einer natürlichen Umgebung ist die visuelle Referenz stabil und interferiert nicht mit der adaptationsinduzierten räumlichen Neukodierung reflexiver Sakkaden bei erneuter Adaptation. Im Schlaf oder bei Ganzfeldstimulation fehlt jedoch dieser visuelle Referenzrahmen, es muss also verstärkt auf Mechanismen der internen Rückkopplung zurückgegriffen werden. Diese könnten mit erneuter Adaptation nach Sichtdeprivation interferieren und somit die Verbesserung eines langfristigen Lerneffektes durch Ganzfeldstimulation oder Schlaf vorübergehend maskieren.

Adaptation of saccade amplitude in response to intra-saccadic target displacement is a type of implicit motor learning which is required to compensate for physiological changes in saccade performance. Once established trials without intra-saccadic target displacement lead to de-adaptation or extinction, which has been attributed either to extra-retinal mechanisms of spatial constancy or to the influence of the stable visual surrounding. Therefore we investigated whether visual deprivation (“Ganzfeld”-stimulation or sleep) can partially maintain this motor learning compared to free viewing of the natural surroundings. Thirty-five healthy volunteers performed two adaptation blocks of 100 inward adaptation trials – interspersed by an extinction block – which were followed by a two hours break with or without visual deprivation (VD). Using additional adaptation and extinction blocks short- and long- (4 weeks) term memory of this implicit motor learning were tested. In the short term, motor memory tested immediately after free viewing was superior to adaptation performance after VD. In the long run, however, effects were opposite: motor memory and relearning of adaptation were superior in the VD conditions. This could imply independent mechanisms that underlie the short-term ability of retrieving learned saccadic gain and its long-term consolidation. We suggest that subjects mainly rely on visual cues (i.e. retinal error) in the free viewing condition which makes them prone to changes of the visual stimulus in the extinction block. This indicates the role of a stable visual array for resetting adapted saccade amplitudes. In contrast, visual deprivation (GS and sleep), might train subjects to rely on extra-retinal cues, e.g. efference copy or prediction to remap their internal representations of saccade targets, thus leading to better consolidation of saccadic adaptation.

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Identifier
DOI https://doi.org/10.23668/psycharchives.7011
Metadata Access https://api.datacite.org/dois/10.23668/psycharchives.7011
Provenance
Creator Voges, Caroline; Helmchen, Christoph; Heide, Wolfgang; Sprenger, Andreas
Publisher RDC
Contributor Leibniz Institut Für Psychologie (ZPID)
Publication Year 2015
OpenAccess true
Representation
Language German
Resource Type Dataset
Discipline Social Sciences