Es gibt viele Belege dafür, dass räumliche Repräsentationen von verschiedenen Sinnessystemen geteilt werden. Die vorliegende Studie untersuchte, ob die räumliche Aufmerksamkeit in der taktilen und auditiven Modalität modalitätsübergreifend gesteuert wird und ob diese Prozesse durch sensorische Erfahrungen beeinflussbar sind. Dazu wurden sehende und geburtsblinde Versuchspersonen mit einem Paradigma zur selektiven räumlichen Aufmerksamkeit untersucht während gleichzeitig ereigniskorrelierte Potentiale abgeleitet wurden. In unterschiedlichen experimentellen Blöcken achteten die Versuchspersonen jeweils auf Reize einer bestimmten Raumposition und einer Sinnesmodalität. In den ereigniskorrelierten Potentialen der sehenden Personen zeigten sich Effekte der räumlichen Aufmerksamkeit nicht nur für die beachtete Sinnesmodalität, sondern auch für die unbeachtete Modalität. Dies spricht dafür, dass Prozesse der räumlichen Aufmerksamkeit zwischen verschiedenen Sinnessystemen vernetzt sind. Bei den geburtsblinden Versuchspersonen jedoch zeigten sich in frühen ereigniskorrelierten Potentialen keine räumlichen Aufmerksamkeitseffekte in der unbeachteten Modalität, auf späteren Verarbeitungsstufen sogar eine Abschwächung der Verarbeitung irrelevanter Reize. Die Ergebnisse zeigen, dass die spezifische Verknüpfung zwischen verschiedenen Sinnessystemen durch sensorische Erfahrungen beeinflusst wird und offensichtlich dem visuellen System auch bei der Ausbildung auditiv-taktiler Verknüpfungen eine entscheidende Rolle zukommt. Genauer s. Hötting, Rösler und Röder (2003, 2004).